Geschichte von einer tiefen dunklen Trauer um die Liebe

5. Juli 2022

Wie ich gelernt habe, was Mitgefühl gegenüber Trauernden bedeutet oder meine Geschichte von „Einer tiefen dunklen Trauer um die Liebe“

Zum Nachlesen/Transskription:

Als mein Opa viel zu jung verstarb ist meine Oma mehr als ein Jahrzehnt in eine tiefe dunkle Trauer gefallen und es war eine sehr stille, dunkle Zeit in unserer Familie. Irgendetwas legte sich über uns alle, etwas das die Stimmung dämpfte, das uns alle leiser werden ließ. Meine Oma war jahrelang nicht bei uns, nahm scheinbar nicht so richtig wahr was um sie herum geschah und was wir erzählten, sie war in ihren eigenen Gedanken versunken.

Meine Eltern haben für sie jahrelang immer Verständnis und Zeit aufgebracht. Sie waren für sie da, haben ihr geholfen, dass das Grab schön aussieht und haben ihre Traurigkeit ertragen. Wir haben sehr oft alle zusammen am Grab gestanden, waren zusammen traurig, haben geschwiegen und über meinen Opa gesprochen.

Es dauert manchmal einfach seine Zeit und das ist auch in Ordnung. Meine Oma hat meinen Opa geliebt, er war ihre große Liebe und es tat einfach sehr lange sehr weh. Er hat eine Lücke hinterlassen, die sich wahrscheinlich nie ganz schließen wird. Niemand konnte meiner Oma ihre Traurigkeit abnehmen und kein Medikament konnte die Schmerzen lindern. Wir waren aber bei ihr, sie war nicht allein bis sie irgendwann endlich wieder lachen konnte. Sie ist eine unglaublich starke Frau, die jetzt mit über 80 Jahren in sich ruhend und irgendwie zufrieden und gelöst wirkt. Sie lacht mehr als andere „ältere“ Menschen. Sie liebt ihre Enkel und Urenkel, erfreut sich an unseren Geschichten, ist dankbar und eine der liebevollsten, tapfersten und verständnisvollsten Menschen die ich kenne.

Das Schicksal meiner Oma, die, nach dem Tod ihres geliebten Lebensgefährten, in eine tiefe Depression gesunken ist, hat mein Leben geprägt. Gewachsen ist in mir dank meiner Mutter und Familie ein Grundmuster des Umgangs mit Trauer. Dieses Grundmuster heißt – Mitgefühl. Dieses Mitgefühl hat dafür gesorgt, dass wir in all diesen Jahren meine Oma nicht allein gelassen haben. Die tiefe Depression ist eine Seite des Verlustes, die andere Seite das ist die große nicht nachlassende Liebe. Und diese nicht nachlassende Liebe haben wir unterstützt, als wir mit ihr ans Grab gegangen sind und uns dort von Opa erzählt haben.

Back to top